Dokumentation der Interaktiven Schaufenster-Ausstellung:

(NOT) MY CITY – SPIELRÄUME UND GRENZEN IM URBANEN RAUM
02. – 09. Oktober 2021 im Pöge-Haus

(Fotos findest du unten in der Galerie)

Das Projekt
Die Ausstellung “(Not) My City – Spielräume und Grenzen im urbanen Raum”, die vom 2. bis 10. Oktober 2021 im Pöge-Haus in Leipzig stattfand, befasste sich mit der Frage, wie Geflüchtete und Asylsuchende den öffentlichen Raum in der Stadt wahrnehmen und ihren Weg in die Stadtgesellschaft finden.

Die Ausstellung ist Teil des HERA-Förderprogramms (HERA = Humanities in the European Research Area) und entstand in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Länderkunde und der Universität Bonn. Das Pöge-Haus wurde für die Umsetzung der Ausstellung beauftragt und hat gemeinsam mit der Visuellen Übersetzerin Simone Fass, sowie weiteren Wissenschaftler:innen, Künstler:innen und Ehrenamtlichen die Idee eines partizipativen und interaktiven Mappings entwickelt.

Im Rahmen des europäischen Verbundprojekts „Alltagserfahrungen junger Geflüchteter und Asylsuchender im öffentlichen Raum“ wurden in den vorangegangenen zwei Jahren junge Geflüchtete und Asylsuchende in Leipzig, Amsterdam, Brüssel und Newcastle zu ihren Erfahrungen beim Ankommen in der Stadt befragt. Den Projektpartner:innen – in Deutschland: das Leibniz-Institut für Länderkunde und die Universität Bonn – ging es darum, herauszufinden, wie sich die Befragten angesichts ihrer individuellen Migrationsgeschichte mit Fragen der Inklusion und Exklusion im öffentlichen Raum auseinandersetzen. Fluchtgeschichten hören nicht mit Überschreiten der Landesgrenzen auf, sie erfahren im Kontext europäischer Asyl-Infrastrukturen eine schmerzliche Kontinuität: Behördengänge, Wohnungssuche, Freizeitgestaltung – all diese Erfahrungen sind  an Orte gekoppelt, an eine formelle und informelle Infrastruktur des Ankommens. Wie gestaltet sich diese soziokulturelle Landschaft des Ankommens in Leipzig? Wie finden Geflüchtete und Asylsuchende ihren Weg in die Stadtgesellschaft und wie nehmen sie diese wahr? Welche Orte sind dabei für sie von Bedeutung und bieten Raum zum Mitgestalten? Auf welche Grenzen stoßen sie? Diese und ähnliche Fragen galt es im Rahmen des Projektes zu beantworten.

Anhand zahlreicher Gespräche sowie Storymapping-Workshops wurden die Geschichten und Emotionen, Hoffnungen und Wünsche, aber auch Grenz- und Rassismuserfahrungen von etwa 25 Personen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren gesammelt. Die in den Schaufenstern des Pöge-Hauses ausgestellte Karte wurde von der Visuellen Übersetzerin Simone Fass auf Grundlage dieser Erhebung sowie mit Hilfe von Feedback-Gesprächen mit den Interviewten entwickelt.

Ein wichtiger Teil der Ausstellung war das Interkulturelle Fest, das anlässlich der Ausstellungseröffnung und im Rahmen der Interkulturellen Wochen mit Vereinen und Initiativen des Leipziger Ostens stattfand.

Das Projekt wurde gefördert aus Mitteln des Verfügungsfonds Soziale Stadt Kerngebiet Leipziger Osten sowie von der Universität Bonn und dem europ. Forschungsförderungsnetzwerk „Humanities in the European Research Area“ (HERA).

Ziel der Ausstellung
Mit der Ausstellung sollten die Ergebnisse des Forschungsvorhabens mittels einer Auswahl des vorhandenen Forschungsmaterials sichtbar gemacht und den interviewten Personen somit eine Stimme im öffentlichen Raum gegeben werden. Welche Erfahrungen machen junge Geflüchtete in der Stadt? Welche Orte suchen sie auf? Welche geben Ihnen Sicherheit, Freude, Gestaltungsspielraum? Welche Orte machen Angst, überfordern oder markieren Hindernisse? Mit den individuellen Antworten auf diese Fragen sollten die Besucher:innen der Ausstellung konfrontiert werden. Unterstützt wurde dies durch einen partizipativen und interaktiven Ansatz.

Konzeptionelle Entwicklung
Die Idee des Mappings als inhaltlicher Kern der Ausstellung sowie die Konzeption der Vernissage als Interkulturelles Fest entstanden in enger Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Länderkunde (IFL) und der Universität Bonn. In regelmäßigen Treffen wurden aktuelle Forschungsinhalte besprochen, es wurde Interview-Material gesichtet, geclustert und ausgewählt. Auf diese Weise konnte das Projektteam stets die eigenen Vorstellungen der Ausstellung mit den Bedürfnissen des Forschungsteams abgleichen und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen. Die Arbeitsschritte der einzelnen Projektphasen gingen Hand in Hand mit den Beteiligten Projektpartner:innen.

Das Interkulturelle Eröffnungsfest/ Die Vernissage
Die Idee für das Interkulturelle Fest zur Ausstellungseröffnung entstand mit der Frage, wie wir möglichst viele Menschen auf die Ausstellung aufmerksam machen können. Mit der Theaterperformance vom Interaction e.V. Leipzig, der Siebdruck- und Hörstation des Mühlstrasse14 e.V. sowie der Musik von DJane Marcela und dem Henna-Angebot des Internationalen Frauen e.V. konnte eine gute Mischung erreicht werden, um thematische Bezugspunkte zur Ausstellung herzustellen und gleichzeitig einen Raum für Austausch und Begegnung vieler verschiedener Personen zu schaffen.

Ein Highlight des Festes bot die Theaterperformance von Interaction Leipzig. Sie stand unter dem Motto “Würde” und fragte nach ihrer Rolle beim Ankommen sowie dem Dazugehören in einer (neuen) Gesellschaft und im öffentlichen Raum. Das Ensemble bestand aus Menschen mit und ohne Migrationserfahrungen und machte die z.T. schon in der Ausstellung gezeigten Zitate noch mal auf eine ganz andere Art und Weise erlebbar.

Auch die Hörstation des Mühlstrasse 14 e.V. war als Programmhighlight in das Fest integriert. Es waren kurze persönliche Erzählungen über Lieblingsorte zu hören, die die Stadt aus diversen Perspektiven skizzierten. “Erzähl mir Leipzig!” war ein passender Anknüpfungspunkt zum Rest der Ausstellung und verdeutlichte einmal mehr die Relevanz des Themas “Ankunft” und “Loslassen”.

Rezeption
Feedback einer Besucherin:

Mir hat die Ausstellung gut gefallen, da die verschiedenen Beiträge mir Einblicke ermöglicht haben, die ich so noch nicht hatte, zum Beispiel auf den Fokkeberg. Das hat die Orte für mich nochmal anders lebendig gemacht. Außerdem beschäftigt es mich, wie ich mit den Menschen, die im selben Viertel leben wie ich mehr in Kontakt kommen kann und da fand ich zb den mühlstraßen e.v. oder die afro leipzig show interessant. Auf der Ausstellubgseröffnung war auch der Verein Frauen international, die super interessante Arbeit machen und das Viertel sicherlich durch Vernetzung bereichern. Danke!

Feedback einer weiteren Besucherin:
Ich fand die Ausstellung sehr interessant und gut gemacht. Ich finde die Schaufenstergeschichte normalerweise nicht so toll, aber unter Coronabedingungen ist es eine super Lösung. Man ist froh eine Ausstellung zu haben und saugt die Inhalte auf wie ein Schwamm. Insgesamt fand ich es sehr interessant, das alles zu lesen. Ich befasse mich mit der Thematik eher distanziert und war umso mehr erschrocken und traurig, was ich über die Einzelschicksale gelesen habe, ihre Wahrnehmung von Gerüchen und Essen, verbissene Gesichter usw. Erschrocken war ich aber auch, als ich die Berichte auf Englisch gelesen habe. Ich dachte immer, man sollte schnell Deutsch lernen und dann kommt der Einzelne damit hoffentlich schneller im neuen Land an. Ich hatte manchmal Gänsehaut und werde zukünftig offener und herzlicher sein, habe ich mir fest vorgenommen.

Ausblick
Die Ausstellung wird als Wanderausstellung noch an weiteren Orten zu sehen sein, so etwa im Frühjahr 2022 in den Studioräumen von Radio Blau und im Sommer 2022 in der Universität Bonn. Damit ist sie nachhaltig einsetzbar und erfüllt sogar einen über den Projektzeitraum hinaus reichenden Zweck.

(Leipzig, 20.12.2021)

Fotos: Munaf Al Dalaimi, Sylvia Drevin, Elisabeth Kirndörfer
Grafik: Simone Fass